DRACHENANGELN
Almost Famous - Fast Berühmt
von Rolf Kautenberger

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Man sagt, Süd Afrika und Mozambique haben für den Drachenangler die schönsten Angelplätze. Extrem ruhig, keine Geschäfte, Straßen, Telefone; kurzum, nichts als Natur. Morgens schlafen, nachmittags Köder fangen, nachts Big Game mit dem Drachen.
Nun, gut. Es ist schon 6 Wochen her, dass die Familie keinen verlängerten Wochenend-Urlaub mehr gehabt hat. Da wir sechs in der Familie sind und ich der einzige Angler bin, ist klar wo es hingeht, oder? Denkste! Die Familie beruft sich auf das Prinzip der Mehrheitsabstimmung (als das, was zählt in Süd Afrika). Die Entscheidung fiel eindeutig aus: 4 gegen zwei! Und das, obwohl ich geschmiert habe mit allem was ich habe (längere Ausgeh-Erlaubnis, mein Auto für's Probefahren, usw.) I was cheated! Ich fühlte mich betrogen!
Süd Afrika hat ein berühmtes "Strandbad", das sich Durban nennt. Die Sorte mit Hotels, Hotels und noch mehr Hotels. Der Strand ist jedoch etwas ganz Besonderes. Er liegt unter Beton, falls man nicht eine klitzekleine Stelle findet die sie vergessen haben. Wirklich, nichts für mich, aber für den Rest der Familie anscheinend das Richtige! Bummeln, Shoppen, Kaufen, Disco, etc.
Wir kommen Freitag Abend an, und starten sofort in die Wochenendaktivitäten: Restaurant, Betonstrand, Fernsehen - Klasse! Die Misses ist sehr müde vom nicht fahren. Ich dagegen frustriert und nicht müde. In Afrikaans gibt's ein Wort, das sich ausspricht: Maak a Plan (Plan machen). Als Ausländer sollte man sich den Sitten des Landes unterordnen, oder? Na also! Mein Maak a Plan ist, sobald die Luft rein ist Sand zu finden und den Drachen steigen zu lassen, natürlich mit Köder.
2 Uhr morgens. Los geht's. Drachen, Angelausrüstung, gefrorener Köder (10 Stunden vorher) und Auto. Schon nach 10 Minuten sehe ich einen kleinen aber schönen Platz. Kein Mensch weit und breit. Wind seewärts und glasklare Nacht. Wunderbar! Schnell die Ausrüstung aufbauen und Köder vorbereiten, doch da ergibt sich schon das erste Kleine Problem. Der Köder ist mittlerweile sehr weich geworden und riecht schon ein bisschen. Naja, nach 10 Stunden in afrikanischer Hitze, da darf er das wohl auch. Mir aber bleibt Keine Zeit einen neuen zu angeln. Maak a Plan! Das wirkt wohl öfters. Da der Köder nun schon ziemlich labberig ist, müssen die Haken (3 von der Größe 14/o) zusätzlich mit Rasterband am Fisch befestigt werden. Nicht schön, aber effektvoll und..., es sieht ja keiner.
3 Uhr morgens. Vor den Wellenbrechern kann ich eine weitere Brandung hören. Das lässt darauf schließen, das Felsen oder so dort sind. In diesem Falle verwende ich einen Viereckdrachen, der bei einem Erfolg allerdings keinen Rekord bringen wird, denn nach IGFA Regeln muß der Drachen bei einem Biss gelöst werden können. Das geht bei diesem nicht, aber dafür kann er so geflogen werden, dass der Köder aus dem Wasser gehoben wird und so über die Felsen ins freie Wasser gelenkt werden kann.
Auf geht's! Ich fliege den Köder bis zum Landeplatz und fiere das Geschirr ab.
4 Uhr morgens. Zeit für ein Bier.
5 Uhr morgens. Noch immer nichts.
8 Uhr morgens. Bin wohl eingeschlafen. Wo ist der Köder? Mist! Der Wind hat aufgebrist, der Drachen ist gestiegen und der Köder fliegt 2 Meter überm Wasser. Kein Wunder, dass nichts beißt. Haie, außer den Großen Weissen kommen nicht aus dem Wasser. Sie können nicht springen. Links von mir auf der Promenade gibt es einen Auflauf von Touristen. Haben wohl scheinbar noch nie einen fliegenden Fisch gesehen? Na gut, ich will sie nicht enttäuschen und beschließe, den Fisch hängen zu lassen und mir hinten rum auf der Promenade erst mal ein Frühstück zu organisieren. Gesagt, getan! Auf dem Rückweg noch mehr Leute. Sie sind ganz schön aufgeregt! Ich begebe mich hinter die äußere Gruppe um zu hören was die sagen. Anscheinend geht etwas vor im Wasser. Vielleicht ein Biss? Scheiße, meine Ausrüstung! Ich hetze zum Geländer,- kein Biss! Der Köderfisch fliegt immer noch.
Was los ist, ist ganz etwas anderes. Eine Gruppe von mehr als zwanzig Delphinen schwimmt in den Wellen unter meinem Fisch und... Oh oh! Einige versuchen,ihn zu erwischen. Wahre Meisterspringer sind sie! Es fehlt nicht mehr viel und sie haben ihn! Ich sause runter zur Ausrüstung. Ich will versuchen, den Köder höher fliegen zu lassen. Kein Erfolg, der Wind ist inzwischen wieder so schwach, dass er eher nach unten geht anstatt nach oben. In der Zwischenzeit stehen einige Touristen direkt hinter mir. Voller Interesse fragen sie, was ich da mache. In meiner Aufregung gebe ich Schnur, so dass der Köder zur Freude der Delphine ins Wasser absinkt. Beten! Petrus! Die Haken sind besonders scharf und das Rasterband hilft auch nicht. Die Touristen fragen mich nochmals, und die Sorge um die Delphine da draußen ist ihnen anzumerken. Ich sage, dass ich an einem Forschungsprojekt teilnehme um festzustellen, wie intelligent Delphine in Freiheit sind um ihr Futter zu finden. Nun, das leuchtet ein.
In den nächsten 20 Minuten schwitze ich Blut und Wasser. Ich traue mich nicht, den Köder heranzukurbeln um den Jagdinstinkt der Tiere nicht zu aktivieren. Sie würden sich auf alles stürzen, was sich bewegt. Was ist wenn einer den Haken als Zahnstocher benutzt? Also, kurzerhand Messer raus und Leine durchschneiden. Keine Opfer - keine Anklage. Nicht, dass das Angeln von Delphinen in Süd Afrika verboten wäre, aber wütende und mit Knüppeln bewaffnete Touristen sind leider auch nicht direkt verboten.
Draussen keckern empört die Delphine. Sie sind nicht sehr fröhlich, dass ich ihnen ihr Spielzeug weggenommen habe. Enttäuscht drehen sie ab und verschwinden in der Weite des Ozeans. Auch die Touristen haben jetzt kein Spielzeug mehr und gehen endlich weiter. Ich rolle die Schnur ein und stelle leicht entsetzt fest, dass die Haken so sauber wie frisch aus dem Laden sind. Schlaue Tiere (Gott sei Dank). Ich packe ein und fahre zurück zum Hotel. Meine Misses fragt ausgeschlafen, wo ich war. »Bloß ein wenig Luft schnappen!« sage ich und gähne verstohlen. 2 herrliche Tage liegen vor mir, Fernsehen, Bummeln, Shoppen, Kaufen, nur um die Disco kann ich mich drücken! Doch auch dieses Wochenende ist irgendwann vorbei, und ich lade alles wieder ins Auto, Misses, Kinder, Drachen, Angeln, und dann nichts wie weg.
Am Ortsausgang von Durban grüßt freundlich ein Schild - Goodby from the Dolphin Coast.