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Kein Fischlein stört

von Claus Beese ©2004

Wie Samt sinkt die Dunkelheit hernieder,
Und die müden Glieder schmerzen heut mal wieder.
Doch zieht es ihn hier her mit Macht,
um zu sein an diesem See, in dieser Nacht.
Der Abend ist lau, der Wind trägt den Duft
von Blüten des Sommers durch die Luft.

Der Alte ködert an den Wurm und wirft die Angeln aus.
Wollen mal sehen, denkt er dann, ob sie heute sind zu Haus.
Er legt die Ruten griffbereit am Ufer nebeneinander.
Karpfen, Schlei, der heimliche Aal, auch der grimmige Zander
und so mancher andre Fisch, der sich hier herumgetrieben
ist vor lauter Fresslust schon an der Angel hängen geblieben.

Der alte Angler schaut zufrieden, und lauscht dem Ruf des Reihers,
alle Köder liegen nun in der Tiefe dieses Weihers.
Doch heute soll es anders sein, der See erscheint fast leer,
Kein hungrig Maul stöbert über den Grund, kein Fischlein schwimmt umher.
Der Mann, er wankt zu seinem Stuhl, und sinkt in ihn hinein.
Dieser Angelabend soll ein ganz besonderer sein.

Der Vögel zwitschernder Gesang und das leise Rauschen der Bäume
entführn den alten Mann alsbald in das Land der Träume.
Die zeigen ihm, wie er damals mit seinen Freunden ging,
das Abenteuer suchte und große Fische fing.
Ganz klar sind die Gesichter, die Stimmen und das Lachen,
es erinnert an die anderen Jungs und an manch tolle Sachen.

Bepackt mit Ruten und mit Taschen und doch ganz gewandt,
schlichen sie bei Nacht und Nebel über das weite Land,
Wie Schemen eilten sie ganz leise über des Bauern Weiden,
denn die Bullen, die hier standen, mochten es nicht leiden
wenn jemand störte ihren Schlaf und diese Horde von Verrückten
ihre saftigen Frühstücksgräser mit den Füßen niederdrückten.

Sie kannten nur eines in ihrem Leben: sie wollten zum Fischen,
die Größten der allergrößten Hechte erwischen.
Auch die Aale im Graben, die oftmals nicht bissen,
genau die wollten sie haben und man war ja gerissen,
so nahmen sie die Reuse, und in des Drahtes Geflecht
da blieben sie hängen, so fing man nicht schlecht.

Doch die Jugend will siegen, wollte noch immer mehr.
Man kam überein, es muss ein Angelkahn her.
So fuhren sie zu dritt, und auch manchmal allein,
Sie fischten bald nur noch und ob groß oder klein,
Ob mit Angel oder Netz, und es schien ihnen egal,
wenn das Fischen nicht erlaubt, dann eben illegal.

Ein Lächeln umspielt das Gesicht des Alten,
es stimmt, so hatten sie es damals gehalten.
Die Erinnerung zieht in mit sich fort,
zurück bleibt der Körper an diesem Ort.
Die Nacht sinkt über den Weiher hernieden,
kein Fischlein stört des Anglers Frieden.

Hin und wieder befuhr er die See auf nem Kutter,
doch lockte ihn nie die billige Butter.
Die Leoparden der Ostsee galt es zu jagen,
und nie rebellierte dabei der Magen.
Er war nicht nur Angler, es zog ihn hierher
denn schließlich war er auch noch ein Mann vom Meer.

Noch einmal ziehen am Alten die Bilder vorbei,
von den Dorschen, den Aalen, dem Hecht und der Schlei.
Da erscheint ein Mann zu des Anglers Freud,
„Petrus! Du hier mein alter Freund?
Du willst mir einen guten Gedanken bringen?
So kann ich mich wie Peter Pan daran in die Lüfte schwingen.“

Er greift nach des Schutzpatronen Hand,
und der führt ihn in ein anderes Land.
In das Land, das dem, der nichts hat verbrochen,
von Gott seit Ewigkeiten her ward versprochen.
Der nächtliche Tau sinkt auf den Alten hernieden,
kein Fischlein stört des Anglers Frieden.

Ein Angler findet in der Früh den reglosen Mann,
denkt sich: „Der schläft!“ und stupst ihn vorsichtig an.
Doch dessen Augen schauen blicklos ins Rund,
nur das Lächeln umspielt noch seinen Mund.
Nichts quält ihn hier mehr, den angelnden Alten,
denn Petrus selbst hat ihm das Tor aufgehalten!

Ende