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Klabautergeschichten
Ein Buchmanuskript von Claus Beese

Copyright by Claus Beese, Verwendung von Texten, auch auszugsweise, nur mit ausdrücklicher Genehmigung des Autors
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Leseproben

Dem Verschwörer auf der Spur

Wir kamen mit einer Ladung Wein von Madeira und segelten mit Kurs auf England, als unser Kapitän dem Steuermann befahl, auf einen neuen Kurs zu gehen. Nicht mehr London, sondern Liverpool sollte unser Ziel sein. Was bei Neptun und Rasmus, sollten die Liverpooler mit erlesenem Madeira-Wein anfangen? Na gut, letztendlich ist es egal, wovon dem Manne schwindlig wird, aber die Liverpooler hatten es mehr mit dem Bier, denn das wurde vor Ort gebraut und war viel billiger. Trotzdem löschten wir die halbe Ladung und liefen dann schnellstens wieder aus. Quer über die irische See brachte uns der neue Kurs und ich war zutiefst erstaunt, als wir irgendwo an der Küste vor Nordirland nachts in einer kleinen Bucht den Anker warfen. Sofort waren kleine Boote um uns herum und brachten Fässer, die genau so aussahen, wie die, welche wir in Liverpool ausgeladen hatten. Im Laderaum war emsiges Treiben, die ganze Ladung wurde umgestapelt und die Fässer, die wir hier mit dem Schiffsgeschirr luden, kamen ganz nach unten. Die restlichen Weinfässer wurden darüber gestaut. Mit dem ersten Tageslicht waren wir bereits wieder auf See, aber in der stillen Bucht hatten wir nicht nur die mysteriösen Fässer an Bord verladen, sondern zusammen mit ihnen war zusätzlich ein Passagier an Bord gekommen. Ich erkannte ihn, als er direkt vor meiner Nase am Mast lehnte und auf die See hinaus starrte. Es war niemand anders als jener Guy Fawkes, von dem ich eingangs erzählte.
Ich verstehe nicht viel von euren Göttern, aber dass es um sie ging, das habe ich einigen Gesprächen zwischen diesem Halunken und unserem Kapitän abgelauscht. Und darum, dass man der Meinung war, mit König James I. säße wohl nicht der rechte Mann auf dem englischen Thron. Scheinbar hatte man einen Plan, wie man dieses Missgeschick der Geschichte wohl zu korrigieren gedachte. Wir liefen wieder auf Südkurs zurück in den englischen Kanal und nahmen schließlich, als wir die Nordsee erreicht hatten, Kurs auf die Themsemündung. Wir hatten Glück, denn ein Wechsel der Wetterlage brachte uns Ostwind, sodass wir weder im seichten Fluss aufkreuzen, noch uns pullend von den Kuttermannschaften den Fluss hoch schleppen lassen mussten. Dem Dunkelmann Fawkes schien das nur recht zu sein, denn er machte einen recht zufriedenen Eindruck. Ich hingegen wunderte mich, dass wir nur mit Halbzeug die Themse hochsegelten. Der Wind hätte allemal Vollzeug zugelassen, und wir wurden von mehreren Koggen überholt. Auch unser Kapitän machte ein unglückliches Gesicht, und die fordernden Blicke unserer Seeoffiziere in die Takelage hinauf ließ ihn wütend mit den Zähnen knirschen. Aber scheinbar gehörte es zu Fawkes Plan, nicht sofort in die Docks zu gehen, sondern erst einmal auf Flussreede auf einen freien Platz warten zu wollen.
Unterhalb der gewaltigen Mauern des Londoner Towers warf man Anker und wartete auf die Zollbeamten. Die ließen auch nicht lange auf sich warten und die königlichen Abgabenerheber und der Kapitän verschwanden im Laderaum. Die Waren wurden begutachtet und so mancher Spundstopfen gezogen. Die Zöllner ließen die Becher volllaufen und prüften eingehend die Qualität des edlen Madeiras, der zäh wie Öl über die Zunge lief und den Gaumen mit seiner Honigsüße auskleidete. Kurz vor Sonnenuntergang ließ man die königlichen Zollbeamten im Frachtnetz zu ihrem Kutter herab, der längsseits festgemacht hatte. Die armen Tröpfe waren nicht mehr imstande, gerade zu stehen geschweige denn noch einen Schritt allein zu machen. Nun, die Matrosen an den Riemen würden sie schon zu ihrer Dienststelle zurückbringen.
Lange nach Einbruch der Nacht entwickelte sich an Bord ein reges Treiben. Es rumorte im Frachtraum, als die ersten Lagen Fässer umgestapelt wurden. Dann wurden wohl zehn oder gar fünfzehn der zugeladenen Irlandfässer an Deck gehievt und schließlich mit kleinen Ruderbooten ans Ufer gebracht. In der Dunkelheit war das alles nicht so klar zu erkennen, denn man hatte für diese Aktion keine Lampen entzündet. Alles verlief beinahe geräuschlos und in absoluter Finsternis. Ich schlich mich in das Holz eines der letzten Fässer, welches man an Land brachte und wurde drüben von derben Männerfäusten in Empfang genommen. Hatte ich erwartet, auf ein Fuhrwerk geladen zu werden, so sah ich mich getäuscht. Auf den Schultern eines vierschrötigen Kerls wurde ich das steile Ufer empor gewuchtet und schließlich von zwei Männern, die das Fass mit Haken an einer lange Stange zwischen sich trugen, lautlos durch die Nacht befördert. Halunken hin, Verräter her, ich musste neidlos anerkennen, dass alles nahtlos ineinander überging und die Organisation dieses Transportes hervorragend klappte.
Das leise Patschen der nackten Fußsohlen auf dem Straßenpflaster zeigte an, dass wir noch immer in der Nähe des Towers waren, denn noch längst nicht alle Straßen dieser riesigen englischen Stadt waren mit Steinen ausgelegt. Meistens versanken die Räder der Kutschen und Fuhrwerke bis an die Achsen im Schlamm der Straße und den Abwässern der Bewohner. Es ging um eine scharfe Ecke, dann knarrte eine Tür und das Fass wurde auf einem hölzernen Fußboden abgesetzt.
»Und sie sind sicher, dass alles klappen wird?« hörte ich die Stimme unseres Kapitäns.
»Todsicher!« antwortete der Mann mit dem Namen Guy Fawkes. »Dieses Haus steht direkt an der Rückwand des Regierungssaales im House of Lords. Ich habe die Ladung so berechnet, dass von dem ganzen hinteren Flügel nicht mehr viel übrig sein wird. Bislang haben wir zwanzig Fässer Schießpulver eingelagert, zehn weitere bringen wir in der nächsten Nacht, und übermorgen, wenn der König alle Landlords bei sich versammelt hat, gibt es ein wunderschönes Feuerwerk. Ganz London wird sich noch lange daran erinnern. Dazwischenfunken kann uns niemand, denn die Besitzerin ist verstorben und ich habe das Haus erst kürzlich erworben. Natürlich hieß ich da anders. Niemand wird mich mit der Tat in Verbindung bringen, weil keiner weiß, wie mein richtiger Name ist.«
»Und wenn du dich da nicht dran hältst, werde ich das Oberon melden.« klang es in meinen Gedanken auf. Aha, in diesem Haus gab es einen Hauself. Also war auch hier ein bewohnter Baumstamm verarbeitet worden.
»Was passiert hier?« fragte das Stimmchen, und die überaus, pardon, dämliche Frage ließ den Schluss zu, dass der hier ansässige Hauself keinen Schimmer von der Schlechtigkeit der Welt da draußen hatte.
Ich glitt aus dem Fass in das Holz des Fußbodens und spürte jetzt die Anwesenheit des anderen Kobolds ganz deutlich. Ich stellte mich kurz vor und berichtete das Wenige, das ich wusste.
»Explodieren? Mein Heim wird explodieren? Und ich? Was wird mit mir?«
»Oh! Solltest du zuhause sein, wirst auch du explodieren. Das, was von euch beiden übrig bleibt, können sie mit Handbesen und Kehrschaufel zusammenfegen!« Ich konnte mir nicht helfen, aber dieser Kobold raubte mir den letzten Nerv, und es tat mir gut, ihm vor Augen zu führen, dass sein Heim am übernächsten Tag nur noch ein Häuflein Kienspäne sein würde. Er würde sich räumlich etwas einschränken müssen.